Der Brauch – Herzlich Willkommen auf den Seiten der Kirmesgemeinschaft Haunedorf

Der Brauch

von Johannes Hack

Ein uraltes Volksfest, das sich bis heute erhalten hat, ist die Kirchweih oder „Kermes“. Vier Wochen vorher wurde sie angetrunken. Dabei „spielte man die Mädchen aus“, das heißt, man verloste sie. Wenn auch auf diese Weise die unmöglichsten Paare zusammenkamen, konnte jeder doch leicht zu dem Mädchen kommen, das er sich für die Kirmes wünschte; er tauschte sie gegen eine Bierrunde aus. Nach dem Ausspielen der Mädchen wurde der „Ploatzknecht“ bestimmt, der für den guten Verlauf des Festes und für die Tanzordnung zu sorgen hatte. Ihm fügte man sich ohne zu murren. Seine Tänzerin war die „Ploatzmoad“. Sie hatte dem „Ploatzknecht“ den „Zwieck“ zu kaufen, den Schellenbaum auf ihre Kosten zu putzen und für die Flasche Wein zu sorgen, die dem Ortsgeistlichen am Kirmessonntag nach dem Musik Ständchen überreicht wurde. Desgleichen hatte sie das seidene Tuch zu kaufen, das der Bürgermeister bekam, nachdem auch ihm die Musik aufgespielt hatte. Dieser Spaß kam die „Ploatzmoad“ immerhin auf 10-12 Gulden.

Mehrere Tage vor der Kirmes kaufte sich jeder Bursche eine neue Kappe, die er seiner Tän­zerin ins Haus schickte. Sie schmückte die Kappe mit einem teuren bunten Strauß, dem „Kermeszwieck“, der reichlich mit Rosmarin durchsetzt war. Die Kirchweih war außer einer et­waigen Hochzeit das einzige Fest im ganzen Jahr, an dem Rindfleisch gekocht wurde. Sonst gab es immer nur Schweinefleisch. Während sonst das Fleisch vom Vater an die einzelnen Familienmitglieder verteilt wurde, machte Kirmes eine Ausnahme – an diesem Tag konnte sich jeder nach Belieben nehmen.

Zu diesem Fest wurden in der Familie oft 24 – 30 Kuchen gebacken. Am Kirmesmontag standen die Musikanten schon nach dem Gottesdienst vor der Kirche und geleiteten die Dorfjugend mit Musik ins Wirtshaus. Mit geschmückten Schnapsflaschen hüpften 2-3 Burschen dem Zug voraus und ließen die Leute trinken. Im Wirtshaus waren bereits jene Burschen, die den „Kirmeszwieck“ auf der Mütze trugen. Sie tanzten nun mit ihren Tänzerinnen die „Drei Reihen“ (Reigen) um den Kirmesbaum. Ploatzknecht“ und „Ploatzmoad“ eröffneten den Reigen. Niemals durfte sich ein „gefallenes“ Mädchen daran beteiligen, desgleichen kein Bursche von sittlich schlechtem Ruf.

Die Kirmestage wurden durchweg in heiterer Ausgelassenheit gefeiert. Schon während des ganzen Jahres sparten die Burschen auf die Kirmes, und 30 – 40 Gulden gab nicht selten ein einziger Bursche aus. „War nur erseht de Kermes doa, die Fasnacht kömmt vo selber“ war eine viel gebrauchte Redensart der Erwachsenen, während der Kirmeskinderspruch lautete: „Kermes on ken Koche, boas wem de Jonge floche, Kermes on ken Hirschebrei, bos soll dos für ne Kermes sei“.

Auf Feinheit des Benehmens legte man kein Gewicht, im Gegenteil, man bevorzugte derbe Späße. Der süße Schnaps wurde gerne im Wassereimer in den Saal gebracht, daraus geschöpft und herumgereicht. Den Wein beliebte man ebenfalls im Eimer, nicht selten in der Wasserbütte herbeizutragen. Ein ganzes Gehänge Würstchen trug man wohl auf der Erntegabel in den Saal. Lustig wurde zugegriffen und dabei nichts übel genommen. Das waren die Kirmesspäße, an die man sich später mit besonderer Freude erinnerte. Die Nächte von Sonntag auf Montag und von Montag auf Dienstag wurden meistens durchgefeiert. Am Kirchweihmittwoch war wieder ziemlich alles im Wirtshaus versammelt. Unter Vorantritt der Musikanten zog man von Haus zu Haus. Von den Mädchen, die die „Drei Reihen“ getanzt hatten, musste jede einen ganzen Kuchen dem Ploatzknecht auf die Kötze legen, die dieser auf dem Rücken trug. Im Wirtshaus wieder angekommen, wurde das Schlusstänzchen gemacht.

Vor der einbrechenden Nacht wurde die Kirmes begraben. Von einem Düngwagen wurde eine Leiter genommen, einer der jungen Burschen daraufgesetzt und unter Begleitung der anwesenden Jugend vor den Ort getragen und dort abgesetzt. Nun wurde ein Wechselgespräch geführt, das sich von Ferne wie das Beten einer Litanei anhörte. Ein Bursche sprach vor, der ganze Chor antwortete:

E begrobe Kermes     –   Nischt für ons !

Enn lärer Bittel          –    Nischt für ons !

So ging es weiter. Schließlich änderte er den Inhalt seines Vorspruchs und sagte etwa:

Äwer en gode Wirt    –    Ebbes für ons !

Noch e freie Ronde   –    Ebbes für ons !

Mit diesem Begräbnis war die Kimesfeier beendet.